Italiener und ihre Bars

Egal in welches abgelegene Dörfchen Sie fahren, hierauf können Sie getrost Ihren gesamten Besitz setzen, eine BAR finden Sie immer.

Manchmal mit TABACCHI – also staatlich lizenzierter Zigarettenausgabe – manchmal ohne, aber eine BAR gibt es immer: „Bar Centrale“.

Die BAR ist Dreh- und Angelpunkt des täglichen Lebens.
Morgens ist sie Lieferant für eine ordentliche Ration Kohlenhydrate: wohlriechende, lauwarme „Cornetti“ mit Marmelade-, Vanille-, Schokoladen- oder auch Pistaziencremefüllung.

Der Tag der Italiener beginnt hektisch, laut und im Stehen. Die Kaffeemühle mahlt fast durchgängig, die Kasse bongt „scontrinos“ (Bons) am laufenden Band, die Barkraft ruft unüberhörbar Cappuccino, Caffé oder Caffé macchiato aus. Basta.

So einfach kann eine Kaffeebestellung sein. Keine Zusätze wie „Doubled, Extra Shot Caramel, Blueberry, Skim Milk, Low fat Milk, Cream, iced“ oder „coffee of the day“. Man genießt aus Tassen statt aus Pappbechern mit unleserlichen Namenskürzeln.

Der Tag beginnt hektisch, laut und im Stehen. Die Kaffeemühle mahlt fast durchgängig, die Kasse bongt „scontrinos“.

Coffee to go? Nicht in Bella Italia!

Wichtig zu wissen, vermeiden Sie morgens in einer Bar die Themen „Politik“ und „persönliche Probleme“. Das würde viel zu weit führen und morgens kann man noch keine Höchstleistungen liefern. Es geht ja um den sanften Einstieg in den Tag.

Ein bisschen Austausch von Schlagzeilen, ja. Man informiert sich kurz. Außerdem muss man jeden Neuzugang mit „ciao, buon giorno, salve, come stai“ begrüßen.

Ein Kommen und Gehen ohne jegliche Verpflichtung.

Jeder geht in die Bar. Mütter, die Ihre Kinder eben zum Schulbus gebracht haben, Müllmänner und Straßenkehrer, während draußen der Müllwagen läuft, Politiker und Beamte, die zwei Stunden später wiederkommen werden, Business-Leute natürlich mit Handy am Ohr und und und.

Man klopft sich auf die Schulter, wünscht sich zum Abschied einen nicht allzu stressigen Tag und betont, Italiener und Ihre Bars dass man den anderen auf den nächste Caffé einladen wird. Wer etwas Gutes tun möchte, bezahlt nach neapolitanischer Tradition einen Caffé sospenso extra – einen „aufgeschobenen“ Café für einen Hilfsbedürftigen.

So verlässt der Italiener seine Bar, mit Vorfreude auf das nächste Treffen aller spätestens zum Aperitivo um 18 h in der heimischen Bar.

Dazwischen muss man dann schon mal fremdgehen, zur Tagesbar, also zu einer nächstgelegenen Bar. Der Italiener ist nämlich ziemlich fußfaul. Man läuft ungern.

Wandern? Touristen wandern, der Italiener fährt schon mal vor.

Die Bar muss sich also vom Arbeitsort im Umkreis von 200 Metern befinden. Bei der Dichte an Bars, meistens auch kein Problem und sonst fährt man eben. Also gibt es gegen 11 h, nach dem Essen und nachmittags noch mal eine kurze Stippvisite in einer Bar. Natürlich wird nach 15h kein Cappuccino mehr bestellt. Credo: Die Milch ist eine Mahlzeit und würde die vorangegangene bei der wichtigen Verdauung stören. Dieses ungeschriebene Gesetz bricht ein Italiener nicht.

Sollten Sie Ihre italienische Freunde behalten wollen, empfehle ich, dieses unbedingt auch so zu halten. Nach Feierabend trifft man sich wieder in seiner Bar, mit seinen Freunden, auf einen Aperitif. Man trinkt Bitterino, Spritz, Crodino, Campari Soda, Prosecco oder Vino Bianco. Dazu werden kleine Snacks gereicht. Je nach Bar reicht das Buffet von Chips, Nüssen, Crackern, Oliven bis zu kleinen belegten Panini, Pizzette, Mini Tramezzini und Käse in allen Variationen.

Dies alles ist meist sehr liebevoll angerichtet. Besonders rasant angestiegen ist diese Tradition nach der Einführung des Rauchverbots. Man bleibt stattdessen am Buffet stehen, um das Gespräch mit der Nachbarin nicht zu versäumen.

Die Bar des Italieners – bei aller Lebendigkeit eine kleine persönliche Entschleunigungsoase, der Ort, auch im Alltag dolce vita zu leben!

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