Ferragosto

Am Ferragosto („Feriae Augusti“) legte Kaiser Augustus im 8. Jh. v. Chr. fest, dass der 15. August für freie Römer wie auch für die Sklaven ein arbeitsfreier Tag sei.

Die katholische Kirche vereinnahmte diesen Feiertag später als Mariä Himmelfahrt. Für Italiener gilt Ferragosto als der heißeste Tag des Jahres und läutet den Wendepunkt des Sommers ein. Um Ferragosto finden jedes Jahr Völkerwanderungen Richtung kühlem Meer statt.

Die beste Zeit, Touristenhochburgen wie Florenz, Rom oder Venedig zu besichtigen: Sie haben quasi die leergefegte Stadt für sich, stehen aber auch oft vor geschlossenen Geschäften. Am Meer geht es laut, eng und sehr italienisch zu.

Ein Sonnenschirm neben dem anderen, Liege an Liege und dazwischen nur eine Schneide bis zum erfrischenden Nass. Jeder annektiert in seiner Stamm- Badeeinrichtung („Bagno“) seine Parzelle Enorm wichtig ist es, sich mit dem Strandabschnittshausmeister, dem „Bagnino“, gut zu stellen, der verteilt schließlich die Parzellen.

Pünktlich zur Essenszeit werden dann die Rufe nach Lucaaaaaaa, Antonelllaaaaaaaa und Antoniooooooo lauter.

Jede Parzelle besteht in der Regel aus zwei Liegen, einem nummerierten Strandhäuschen als Umkleide und Wertsachendepot und einem Sonnenschirm, unter dem sich dann die mindestens siebenköpfige Familie tummelt.

Der Tag am Strand beginnt „früh“ gegen 11 h mit dem zweiten Caffé in der Bagno-Bar. Selbstredend bleibt man auch am Strand seinem Barista über Jahre hinweg treu.

Gegen 11.30 h werden lauthals die Strandnachbarn begrüßt, dann die in Alufolie verpackten Lebensmittelberge in den Schatten gerettet und die Liegen vom Sand befreit. Die bunten Handtücher werden auf den Liegen und den freien Bodenzentimetern verteilt, Luftmatratzen werden aufgeblasen.

Dazwischen die ins Wasser drängenden Kinder, die aber zunächst der Eincremequal unterzogen werden. Irgendwann erbarmt sich dann ein Erwachsener, mit den Kindern ins Nass zu gehen. Ganz wichtig ist dabei, den eingecremten Bauch konstant einzuziehen und die Sonnenbrille nie nass werden zu lassen.

Die ersten 30 Meter eines italienischen Strandabschnittes sind gekennzeichnet durch drei Zonen.

Die erste Zone ist die grüne „Kinder-Sicherheitszone“ mit plantschenden Bambini.
Die zweite Zone ist geprägt von hüfthoch bis maximal bauchnabelhoch im Wasser aufund abschreitenden, konversierenden Erwachsenen, die stets ein Auge auf die Kleinen haben. Diese Vorsicht ist leider nicht ganz unbegründet, ist Italien doch das Land mit den längsten Küsten in Europa, jedoch auch den meisten Nichtschwimmern.

Die dritte und nahezu leere Zone ist dann die der wenigen echten Wasserratten. Pünktlich zur Essenszeit werden dann die Rufe nach Lucaaaaaaa, Antonelllaaaaaaaa und Antoniooooooo lauter.

Amoooooooreeeee di Mammaaaaa

Eigentlich könnten die Mütter auch unisono Amoooooooreeeee di Mammaaaaa rufen, etwas Individualität wird aber gewahrt und jeder weiß spätestens nach dem zweiten Strandtag die Namen der Kleinen.

Und dann beginnt das liebevoll zubereitete Strandmahl. Antipasti und Pane, Primo in Form von Nudel- oder Reissalaten, Secondo in Form von kalten Schnitzeln, Scaloppine oder Fleischspießchen mit Salat gefolgt von frischem Obst.

Beim Dessert hält man sich strategisch Platz frei für einen weiteren Snack am Nachmittag. Dieser ist gegen 15.30 h eine frisch aufgeschlagene, an der Liege servierte Kokosnuss vom Cocco Belllooooooooo-Verkäufer. Sobald dann ein kleiner Mittagsschlaf („Pisolino“) einsetzt, kann man fast die Uhr stellen, bis irgendwer mit Designer- Sonnenbrillen oder Luxus-Ledertaschen die Ruhe stört.

Ab 18 h leert sich dann der Strand und die Gemeinschaftsduschen am Bagno füllen sich. Dann ziehen alle wieder karawanenähnlich ins Feriendomizil. Nach einem gründlichen „Bella-Figura“-Styling findet man sich dann ab 21 h zum Essen in den Lokalen ein, um den Tag mit einem Spaziergang auf der grell erleuchteten Promenade und einem stattlichen Eisbecher zu beenden.

So geht ein perfekter italienischer freier Tag. 

Kolumne Ferragosto Stefania Lettini
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