Italiener und Bella Figura

Fare Bella Figura 

Neben der sympathischen, lockeren „Dolce Vita“-  Einstellung zum Leben ist das stete Streben nach dem „Fare Bella Figura“ ein ebenso wichtiges Lebensmotto meiner Landsleute. 

Ein Blick vor und hinter die Kulissen gepaart mit einer praktischen Anleitung für alle, die auch Bella Figura machen wollen beim nächsten Besuch in Italien: 

Mode, Aussehen und Flanieren… 

Starten wir also beim naheliegenden bei der Kleidung und dem Flanieren, Schreiten oder auch zum Teil Schweben auf auf der Piazza.  Die besten Modedesigner der Welt stammen aus dem Stiefel und die hohe Kunst der Alta Moda ist fest in Italien verwurzelt… 

„Bella Figura“ mit den neuesten Trends aus Mailand, Florenz und anderen Fashion-Spots zu machen ist Samstagabends und Sonntags geschlechterunabhängig ein unausgesprochener aber offensichtlicher Wettkampf auf jeder Piazza. Wer trägt welches Label am lässigsten, wer flaniert am besten auf den neuen High-High-Heels die holprige Kopfsteinpflasterallee hoch und runter, wer duftet am besten, wer hat die beste Frisur und wer hat bei all der Modellaktivität noch die neuesten Geschichten aus dem Ort parat und kann somit gleichzeitig die Fangemeinde entertainen? 

Fare Bella Figura ist ein Stil, der nicht aus der Mode kommt unabhängig vom Einkommen. Der Wert auf das Aussehen und auf das modische Erscheinungsbild stärkt das Selbstbewusstsein und schafft immer wieder Gruppendynamiken in allen Altersklassen. 

Achten Sie bitte daher unbedingt auf Modesünden wie Socken in den Sandalen, kurze Hosen zum Abendessen, ein ungepflegtes Äußeres und auf altersgerechte Größen und Längen. Denn sonst wird schnell aus Bella Figura – Brutta Figura – also ein weniger rühmlicher Auftritt. 

Pünktlichkeit… Grundsätzlich ist es natürlich unhöflich sich zu verspäten und macht erstmal keine Bella Figura – gar keine. Aber jeder Italiener weiß natürlich, dass so viele externe, unbeeinflussbare Dinge geschehen können, dass eine entsprechende Verspätung in der Regel immer mit einer guten Geschichte entschuldigt werden kann. Hierbei gilt auch hier die goldene Regel, je grösser die Verfehlung desto dramatischer muss Ihre Ausrede bzw. Ihre Vorgeschichte sein. Diese bitte dann entsprechend professionell, mitleidenserweckend, schauspielerisch und mit Mimik und Gestik untermalen,  um sich wieder im sicheren Bella Figura Schoss zu befinden. Vermeiden Sie aber unbedingt ein „Zuspätkommen“ wenn vermeintlich wichtige Personen zugegen sein werden.

Gratulationen… Nehmen Sie stets Anteil am Leben von Italienern. Gratulieren Sie immer zu Geburtstagen, Namenstagen, Kennlerntagen und anderen wichtigen Ereignissen. Der Italiener nimmt gerne Teil am Leben seiner Mitmenschen, und erwartetet dies dafür aber entsprechend auch zurück… Hierbei wird weniger Wert auf Geschenke sondern tatsächlich an den Gedanken an sich gelegt. Anruf, WhatsApp, Brief, Fax, Email oder auf der praktische Facebook Kommentar auf der Profilseite. Nehmen Sie Anteil egal wie – die technischen Möglichkeiten machen es einfacher, aber erhöhen entsprechend auch das Unverständnis beim „Vergessen“.

Weihnachten, Ostern und andere christliche Feiertage eignen sich zudem immer perfekt um einmal wieder anzurufen und sich hören zu lassen… Hier siegt natürlich der „First-Mover-Effekt“… Also Erinnerung und Wecker stellen und strebenswerter Erster sein… So geht Bella Figura. 

Komplimente machen… Italiener machen gerne Komplimente, hören aber auch gerne Wohlwollendes über ihr Land, ihre Kultur, ihre Gastronomie und einfach über sich und Ihre charmante Art. Machen Sie also Komplimente was das Zeug hält. Seien Sie spontan, blumig und überschwänglich. Italiener sind emotional und lieben Komplimente – seien Sie also auch grosszügig mit Emotionen, es kostet Sie Nichts außer Ihrer Kreativität. 

Bei geschäftlichen Treffen ist es übrigens nicht ratsam Kritik zu äußern… Sollte es unumgänglich sein, nutzen Sie das persönliche Treffen für „Bella Figura“ Stunden auf und heben Sie sich Kritik für eine oder maximal 2 subtile Note(n) in einer schriftlichen Kommunikation auf. 

Italiener haben häufig ohnehin gegenüber den Deutschen auf Fleiß und Wirtschaftlichkeit bezogen einen nicht unerheblichen Minderwertigkeitskomplex, den Sie bei den kulturellen und lebensphilosophischen Ansätzen aber durchaus wieder zu kompensieren wissen. 

Also entspannt genießen und Komplimente machen… Bella Figura eben. 

Essen… Bella Figura als Gastgeber zu machen ist schnell zusammengefasst… Tischen Sie auf was das Zeug hält, bis der Tisch sich biegt. Beim Essen gilt einfach klotzen statt kleckern… Stellen Sie sich einfach vor Sie ziehen mit jedem gelungenen Gang 3 Schritte nach vorne wie auf der Kirmes bei den Kamelrennen. Den ersten Punkt gibt es für eine fundierte Produktherkunft mit namentlicher Nennung des Herstellers oder aber auch Nennung der Bezugsquelle des entsprechenden Fachgeschäftes…

Ein weiterer Punkt auf dem Bella Figura Konto gibt es für die detailreiche Erläuterung der Produktverarbeitung und des Schritt für Schritt Rezeptes, und last but not least gibt es den 3. Punkt für die korrespondierende, vinophile Untermalung. 

Die extra Krone erhält man für flüssige Gespräche, wobei sich flüssig auf stete Gespräche ohne Pausen bezieht. Wenn Sie einen hohen Anteil an italienischen Gästen eingeladen haben müssen Sie sich aber über Stille am Tisch ohnehin keine Gedanken machen. In der Regel kann ein Italiener gefühlt maximal 20 Sekunden ohne eine Laut von sich zu geben überleben -eine durchaus gute Grundlage für einen „lebendigen“ Abend also. 

Fare Bella Figura als Lebensmotto? 

Im besten Fall ist aber für mich „fare Bella figura“ nicht nur auf das Erscheinungsbild, die Manieren und das zur Schau tragen externer Werte, sondern natürlich auf das Innere bezogen. 

Bezogen nicht nur auf den schönen Schein sondern auf die Reflektion der eigenen Person und Persönlichkeit, die man gerne, jeden Tag auf’s Neue, im Spiegel sieht. Darauf bezogen ein schönes Miteinander zu haben, andere gut fühlen zu lassen, andere Wert zu schätzen, am Leben anderer teilzunehmen, es zu lieben gutes Essen einzukaufen, vorzubereiten und mit anderen gemeinsam zu genießen und einfach das Schöne im Leben zu erkennen. 

Dann ist für mich „Fare Bella Figura“ auch in keiner Weise mehr oberflächlich sondern ein Lebensstil, der sich zwar stetig verändert, aber im Kern immer derselbe bleibt. 

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