Rentnergangs in Italien oder auch das Leben auf der Piazza
Morgens halb zehn in Italien… Die Oma prognostiziert mit einem erfahrenen Blick aus dem Fenster die Tagestemperatur.
Kurz danach wird Sie dem Opa die entsprechenden Kleidungsstücke herauslegen und danach das ordnungsgemäße Trageverhalten abnicken. In der Regel kann der Opa jedoch bis 35 Grad im Schatten damit rechnen, dass über allen Lagen die blaue Wollstrickjacke fast immer den krönenden Abschluss seiner täglichen Garderobe bilden wird. Und so wird also der Opa dann kurz nach zehn von der Oma im „Bella Figura Outfit“ auf die Straße geschubst. Auf seinem täglichen Weg zur Piazza trottet dann der ausgestoßene Opa an einem der städtischen Aushänge vorbei und studiert zunächst die Todesanzeigen.
Etwaige verstorbene Rivalen, die ihr Auge einst auf die eigene Frau geworfen hatten, streicht er gedanklich aus seinem Adressbuch, verstorbene Freunde und Bekannte werden hingegen in der Stammbar mit dem Genuss des Lieblingsgetränks des Verstorbenen innerhalb der Rentnergang geehrt.
Auf der Piazza angekommen setzt Opa sich dann zu seinen Freunden auf eine der Rentnergangbänke –Schattengewächse mal anders.
Im seltenen Regenfall steht als Alternative eine Markise eines Geschäfts oder ein Vordach zur Verfügung.
Stühle werden immer gerne, fast wie im Generationenvertrag fest verankert, bereitwillig zur Verfügung gestellt. Ein ungeschriebenes Gesetz ist es außerdem, dass die Rentnergang sich immer im Freien trifft und tagt.
Andernfalls ist das Beobachten des Geschehens uninteressant. Dort tauscht Opa sich dann mit seinen langjährigen Kumpels über das Geschehen der letzten 12 Stunden aus. Wenn der Opa bei der Oma gerade hoch im Kurs steht, hat er morgens einen detaillierten Einkaufszettel mitbekommen, den er dann im Anschluss an das erste Piazza- Meeting dann Geschäft für Geschäft abarbeiten darf.
Was macht aber die Oma in der Zwischenzeit?
Klar Sie wäscht, bügelt, macht die Betten, kocht, wedelt Staub… Diese Beschäftigungen werden in der Regel aber in absoluter Rekordzeit erledigt, um dann endlich wieder alle Fenster und Türen zu öffnen und das beste Spionagenetzwerk der Nachbar-Omas mit den News der letzten 12 Stunden zu füttern. Die Omas wissen einfach Alles, jedes Gerücht, jede neuesten Ereignisse von noch so fern und nah verbreiten sich in den italienischen Gassen wie Lauffeuer.
Nachdem alle wichtigen Informationen des Vormittags ausgetauscht wurden, darf der Opa zum Mittagessen wieder nach Hause kommen. Dann gibt es den obligatorischen Teller Pasta und zudem eine Zusammenfassung all dessen, was die Oma am Vormittag gehört hat. So läuft’s… und der Opa ist eher etwas wortkarg.
Nach dem wohlverdienten „Pisolino“, dem kleinen Mittagsschläfchen, werden die Opas erneut auf die Straße geschubst. Der Opa trottet wieder zur Piazza und gleicht dort mit seiner Gang die Informationen ab, die er von der Oma erhalten hat. Daher sind auch die Opas relativ gut informiert.
Am späten Nachmittag ist es dann die Oma selbst, die den Opa an der Piazza abholt. Denn bei einsetzender Dämmerung gibt es auf der Piazza den Generationenwechsel und die jungen Mädchen mit den kurzen Röckchen und knapp genähten Blüschen stolzieren auf bewundernswerte Weise mit nicht endenden wollenden Absätzen auf dem unebenen Kopfsteinpflaster der Piazza herum.
Nichts für Opa, denkt sich die Oma. Beim Abendessen sitzt man, wenn es geht, mit der ganzen Familie zusammen, um dann nach den obligatorischen drei Gängen die Stühle wieder auf die Straße zu stellen. Und wieder tauscht man sich mit den Nachbarn aus.
Kommunikation wird bei den Italienern einfach immer groß geschrieben…